Vom Postpatriarchat zur matrifokalen Gemeinschaft?

Der Begriff Postpatriarchat ist derzeit recht gebräuchlich und deutet an, wenn ich es richtig verstehe, dass die unmittelbare Zeit nach dem Patriarchat bereits angebrochen ist. Uns wird mit diesem Begriff suggeriert, dass bereits ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat bzw. in Gange gesetzt wurde. Dergleichen kann ich nicht feststellen. Zudem hat für mich der Ausdruck Postpatriarchat so ein Flair von postapokalyptisch.

Dieser Begriff bezeichnet auch keine konkrete Gesellschaftsform, sondern bringt nur die Hoffnung zum Ausdruck: das Ende des Patriarchat ist nah. Und einige tun so als hätte sie bereits begonnen, die erleichternde Zeit danach – nach der Patriarchose, nach der fatalen Väterherrschaft, nach dem gewaltverbrämten Androzentrismus,  nach dem alles verschlingendem Turbo-Technologie-Kapitalismus. Dass wir also mit einem Bein bereits in einer, allerdings noch nicht definierten hoffungsvollen Zukunft unserer globalen Gesellschaft stünden.

Wir sollten es uns eingestehen: derzeit ist (noch) gar nichts „post“. Und weder der Beginn noch das Gefüge, des zu erwartenden gesellschaftlichen Öko- und Wertesystems einer zukünftigen Weltgesellschaft, ist bisher umrissen, noch ansatzweise vorgedacht. Was folgt also nach dem Patriarchat, der Herrschaft der Väter und ihrer Söhne, und wie könnten sich tatsächlich die ernsthaften Schritte des Übergangs gestalten? Welche Art eines Gesellschaftsgefüges wird sich aus der immer noch waltenden, für alle so erdrückenden, toxischen Patriarchose entwickeln und wie schnell wird es gehen bis allen gesellschaftliche Gerechtigkeit widerfährt? Was wenn die Nutznießer der derzeitigen patriarchalen Hochkultur ihre Macht doch nicht einfach aus den Händen geben und statt dessen lieber mit der Welt, die auch die der Frauen und ihrer Kinder ist, untergehen wollen?

Ich weiß, dass hier verständliches Hoffen Hoffen und irrationales Wunschdenken eine Vision entstehen ließ: Mann und Frau als autarke, also vollkommen unabhängige Individuen (auch wirtschaftlich), welche sich aus Liebe und nach Bedarf zusammen tun und innerhalb gewisser, biologisch vorgegebenen Lebensabschnitte für einen Fortbestand der Art sorgen, ohne auch nur den Anflug eines (Mutter)Sippengefüges aufkommen zu lassen. Die reine Form einer Zweier-Partnerschaft (auf Augenhöhe), eine Art Fortführung des Eheideals auf höchstem Niveau (ohne das strenge Reglement des christlichenoder sonstigen religiös geformten Ehegedankens) und gleichzeitig unter Vernachlässigung der relevanten elementaren Kindheitsphase und möglichst ohne Wahrnehmung des biologischen Alterungsprozesses. Der immer noch und nahezu naiv vorgegebene, gesellschaftliche LeitSinn zielt auf das (unnatürliche) Ideal eines mehr oder weniger dauerhaften Zweier-Bündnis, welches in einer temporären Elternphasen Nachwuchs produziert, jedoch nicht verpflichtet ist eine individuelle (aber kollektiv relevante) Altersabsicherung zu gewähren.

Ich kenne noch zu gut diese futuristischen Trugbilder aus der Zeit meiner Jugend, die ich im DDR eigenen, sozialistischen Sozio-Top der staatlichen Indoktrination und dem dazu passendem Schulsystem erlebte. Utopien sprudelten nur so und nichts davon konnte umgesetzt werden oder hat bis heute je wirklich funktioniert. Und wird es auch nie, nicht solange von den Brüdern die Schwester im gesellschaftlichen Alltag vergessen, missachtet und unterdrückt wird.
Daher fällt es mir auch außerordentlich schwer, mir ein Postpatriarchat als funktionierende Partnerschaftsgesellschaft (ohne ursprüngliche, menschenartgerechte Sippenbindung) vorzustellen. Das ist für mich genauso unrealistisch, wie einst die kommunistischen Gesellschaftsmodelle einer marxistisch – leninistischen Ära, die ähnliche utopische Ideen pflegten, dabei auf jede Art von technischem Fortschritt setzten von dem ein Jeder partipizieren sollte und wo man in den sozialen Bereichen diffus eine allgemeine Verbrüderung als tragendes Element annahmen. Und wie im Patriarchat üblich, wurden die Schwestern verdrängt und die Mütter und Töchter nicht mitgedacht.

Der Mann als Träger des Postpatriarchats?
Wie wird sich also, wenn es soweit ist, die postpatriarchale Gesellschaft entwickeln? Aus welchen, heute bereits wirksamen Impulsen geht das neue Paradigma hervor?

Wird der Mann, die ihm bisher (durch göttliche Fügung) beigegebene Gehilfin „Frau“, zu seiner gleichberechtigten Nenn-Partnerin machen und auf jede Form weiblicher Ausbeutung und Diskriminierung verzichten?

Oder strampelt sich doch einestages der Großteil der Frauen frei? Findet nach dem langen vergeblichen individuellen, jetzt ein kollektives Bemühen der Frauen statt? Eine Phase in der die Frau den Mann überhaupt erst grundsätzlich menschenfreundlich und partnerschaftstauglich ausbildet, um damit verlässlich für jede/n (auch für das Kind) ein ersprießliches, Nähe und Fürsorge garantierendes, Zusammenleben zu gewährleisten?
Findet im Postpatriarchat nach der Sozialisierung des MachoManns dann weiterhin eine Art permanenter Singlebörse als einziger Sinn der Lebensgestaltung neben der Erwerbstätigkeit statt? Und an welchem Ort findet die Sozialisierung statt, um einen postpatriarchaltauglichen Mann zu kreieren? In der tradierten Kleinfamilie wohl nicht, das hat bisher auch nicht geklappt! Werden in Zukunft all die zunehmend alleinerziehenden Mütter bzw. Väter das Ruder herumreißen? Oder gar in dem Gewirr der modernen Patchworkfamilien-Landschaft oder in einem, der matrifokalen Sippe nachgebildeten Wahlclan, in dem aber nach wie vor die Großmutter-Mutter-Tochter-Bindung als tragendes Element quasi nicht vorhanden ist? Ich kann mir das nur schwer vorstellen.

Um weiterhin weit weg von mütterlichen oder blutsverwandten Verbandelungen, das erwachsene, bindungsarme, autarke Individuum zu formen und auf die Suche nach einzelnen Partnern zu schicken, die ebenso unter den Defiziten leiden, die so eine moderne Vereinzelung mit sich bringt? Der Dreh- und Angelpunkt scheint ja für den Mainstream auch in der Zukunft immer noch in einer differenzierten Neuordnung des Geschlechterverhältnis außerhalb einer naturgemäßen Bindungsgemeinschaft zu liegen.
Es wird ihn hoffentlich nicht geben, den Gender-Norm-Menschen der Zukunft – für den prinzipiell keine Geborgenheit in einer (menschenartgerechten) fürsorgenden Herkunftsgemeinschaft vorgesehen ist und der durch den postapokalyptischen Mainstream zum beziehungsbereiten, doch bindungsarmen, flexiblen Partner für jedefrau bzw. jedermann geformt wird.

Woher kommt er dann, der gewaltfreie, partnerschaftlich ausgerichtete, Verantwortung übernehmende, sozial eingestellte und fürsorgende Mann?

Unsere (biologische) Natur können wir nicht abschütteln und so wird die/der Mensch auch weiterhin als ein von mütterlicher, menschlicher Fürsorge abhängiges Wesen, geboren von einer Frau, zur Welt kommen. Da unsere moderne Gesellschaft in allen ihren patriarchösen Ausprägungen leider bereits vorhanden ist und gefühlt aus nur fertigen erwachsenen Menschen im besten Erwachsenalter besteht (alle anderen werden quasi weitgehend outgesourct) gibt es keinen Ort für menschliche, nachhaltige und zukunftsorientierte Sozalisation.
Diese festgelegte erwachsene Welt kreist als Ego-Karussell durch unser Leben. In dieser Welt haben es all die hineingeborenen Menschenkinder nicht einfach, das zu bekommen, was sie eigentlich für ihren Start ins Leben brauchen und um auch später ihre individuellen Lebensaufgaben zu erfüllen. Das per Erbanlage erwartete Matrifokal ist jedenfalls schon mal nicht in unserem Alltag präsent. Wir kommen auf diese Welt und müssen als Individuen leider lernen im jeweiligen (patri)kulturellen Kontext zu interagieren und uns nach und nach die Anforderungen des späteren erwachsenen Lebens erarbeiten.
Das urzeitliche Menschenkind (das in unseren Zellen noch sehr präsent ist) wuchs (Jahrtausende) unmittelbar in einem Sippengefüge unter Geschwistern und direkten Angehörigen auf und verblieben in der Regel bis ans Ende seiner Tage in diesen Gemeinschaften. Die Mensch erlebte unmittelbar und permanent jede menschliche Alters- und Entwicklungsphase bei allen Anderen mit sowie an sich selbst. Eine natürlich aufgewachsene Frau hat also auch ohne weiteres den weiblichen Gesamtzyklus zu jedem Zeitpunkt verinnerlicht.
Die eigenen ineinander fließenden Lebensabschnitte waren (sind) komplex mit denen der Nähemenschen (Sippenangehörige und Alltagsgefährten) verwoben. Das menschliche Dasein fand/findet in unmittelbaren Bindungsfeldern statt, die zyklisch und generativ verschränkt sind (bzw. sein sollten). Dass ihre Lebensabläufe heutzutage von vielen Mitfrauen oft wie eine Einbahnstraße gelebt werden, ist der männlichen Dominanz geschuldet, welche alle unsere Alters- und Lebensphasen beherrscht. Die Frau lebt von Natur aus eigentlich einen anderen Rhythmus als der Mann und würde es jederzeit wieder tun, sobald sie ihrer Female Choice und ihrem matrifokalem Erbe folgen könnte/kann.

Das Patriarchat baut sich vor allem auf die vitale (und damit überwiegend aggressive) Lebensperiode des Mannes auf. In dieser Phase eines Männerlebens wurden die heute noch hoch wirksamen hierarchischen Machtpotentiale geschaffen. Hier ist der Mann kein von der Mutter abhängiges Kind mehr und (noch) kein von der Sozial-Gemeinschaft abhängiger alter Mann, sondern scheinbar immer der starke (und je nach Sub-Kultur auch gewaltbereite) und im Kreis seiner Verbündeten lebende Mann mittleren Alters.
Der wettbewerbende Mann mittleren Alters ist der Taktgeber in unserer patriarchösen und androzentrierten Gesellschaftsstruktur. Auch ein Postpatriarchat steht erst einmal weiterhin unter der Dominanz des Mannes, denn dieser so konditionierte Mann verschwindet ja nicht einfach und das wirksame Ideal des Vaters vermutlich auch nicht. Der individuelle Vater ist ein kulturelles Konstrukt, das parallel zu den gewaltsam eingeführten Komponenten der patriarchalen Gesellschaft – Herrschaft, Hierarchie und Männerreligion – platziert wurde. Das ursprünglichen Gefüge unserer artgerechten matrifokalen Gemeinschaft wurde dadurch nach und nach fast vollständig global zerstört.

Der Vater und das Postpatriarchat
Die Berufung auf die Wichtigkeit der Vaterschaft halte ich für die wirksame männliche  Kampftaktik schlechthin und weniger als die Vorstellung, dass der Mann einst seine Bedeutung bei der Entstehung des Nachwuchses erkannte und bereit war in diesem Sinne Verantwortung zu übernehmen. Der Sohn hatte für den Vater im beginnenden Patriarchat einen bedeutenden Stellenwert, mehr als wahrscheinlich ein verlässlicher Verbündeter und als sein Erbe, galt er als eine Verlängerung der eigenen Person über den Tod hinaus.
Dass die Vater-Sohn-Konstellation auch immer wieder Konflikte barg und heute noch problematisch ein kann, ist nur zu bekannt. Heute hat der Sohn im Sinne von Status für den in der westlichen Kultur lebenden Mann keine so mächtige Bedeutung mehr, wie zu Zeiten der beginnenden und praktizierten patriarchösen Androkratien. Jetzt heißt es eher: mein Haus, mein Auto, meine Yacht – aber weniger mein Sohn oder gar meine Tochter. Auch wenn es den Anschein hat, ich tue hier einer Menge Männer unrecht, läuft, wenn wir genau hinsehen und uns nicht von den neuen Idealen blenden lassen, das volle Patriopathieprogramm als Betriebssystem immer und überall im Hintergrund mit.

‚Pater‘ bedeutet nun mal, wie wir eigentlich wissen sollten, nicht Vater (im Sinne biologischer Beteiligung am Kind), sondern Herr. Ein Format, dass die uns bekannte Patriarchose prägt. Sehr deutlich können wir das am Beispiel des Papstes, der ja nun im heutigen Verständnis so gar kein (sorgender) Vater ist, jedoch von seinen Millionen Gläubigen und auch von der atheistischen Welt als (Heiliger) Vater bezeichnet wird.

Nichts finde ich derzeit schwieriger einzuordnen als den Vaterbegriff, obwohl er allen mit dem allergrößten Selbstverständnis über die Lippen geht. Egal ob leiblich, sozial oder im übertragenen Sinne, Vater ist der Begriff, welcher mit dem Patriarchat unmittelbar verknüpft ist und ihn nicht nur sprachlich prägte. Ich persönlich kann mir die Zeit nach dem Patriarchat eigentlich nur als mütterlich-egalitäre Gesellschaft, als eine matrifokal-basierte Welt vorstellen. Eine Welt in der die Geschwisterlichkeit wieder ihren Platz hat und das mütterliche sowie generationsübergreifende Selbstverständnis zu unserem Bewusstsein gehört.
Der heutige populäre Partnerschaftsgedanke setzt Maßstäbe, die schwer umzusetzen sind, aber sich erst einmal gut anhören: Alle, auch einander fremde, Männer und Frauen sind sich menschlich zugetan und spüren immer und überall ein partnerschaftliches Verständnis.
Noch ist das quasi undenkbar und könnte sich bei aller Anstrengung höchstens als eine Art Übergangslösung entpuppen. Denn diese Art Partnerschaft auf (anonymer) Nichtverwandtschaft basierend, kann nur ein rein ideologisches bzw. politisches Konstrukt sein und daher sage ich es gern immer wieder: Es wird nicht funktionieren.
Dem Individuum, gleich welchem Geschlechts, wird weiterhin bei dem Gesellschaftsmodell der Partnerschaft, also dem Paarkonzept ohne Angehörigenbindung, die erforderliche Geborgenheit und angehörigenkollektive Fürsorge und Nähe entzogen.
Als unser menschenartgerechtes Sein sollten wir endlich die geschwisterliche und durch allgegenwärtige Mütterlichkeit geprägte Gemeinschaft anerkennen, denn hier wurde/wird, wahrscheinlich schon immer, in angemessener Form den Geschlechtern (egal wie viele gerade gegendert werden) Gerechtigkeit zuteil.
Nun ist ja Patriarchatsrecht nicht automatisch Männerrecht. Es gibt reichlich Anzeichen dafür, besonders im Hinblick auf das Wirtschaftssystem, dass die uns umgebende Patriarchose hin zu einer maligen Phallokratie fortschreitet. Nicht der, ohnehin fragwürdige, väterliche Anspruch konditioniert die Gesellschaft, sondern ungezügelte, männliche Hybris der wenigen Privilegierten, die sich wie Geiselnehmer der Gesellschaft verhalten oder sich als Drahtzieher im Hintergrund herrschaftlicher Machtgebilde aufhalten. Auch das Patriarchat war und ist bisher kein Maßanzug für JederMann. Immer wieder müssen wir Frauen mitansehen, dass die wahren Privilegien im Patriarchat auch den Männern nicht in den Schoß fallen und nicht ein jeder automatisch ein Gewinner ist. Um zu einem Gewinner aufzusteigen, gilt es erst einmal sich dem allgemeinen Wettbewerb zu stellen und diverse reale und virtuelle Kämpfe auszutragen. In den Anfängen des Patriarchats war das stets wörtlich zu verstehen. Eine entsprechende Herkunft hat zwar schon immer den Anerkennungskampf erleichtert, aber am Ende sind Triumphzüge trotzdem selten. So mancher Knabe fängt zwar bereits durch „patrilinear“ verstandene Geburt recht weit oben auf der Hierarchieleiter an, doch das ist keine Garantie am Ende zu den Gewinnern der Patri-Gesellschaft zu gehören. Das Zeitalter der Väter war/ist geprägt durch die Macht gewohnten Patriarchen und das schließt ein, einen Machtwechsel nur ungern zuzulassen bzw. ihn mit allen Mitteln zu verhindern.
Auch wenn sich heute der Eindruck ergibt, dass sich tatsächlich Veränderungen anbahnen, sind die neuen Gewinner der Macht meist bemüht die Erfolgsrezepte ihrer Vorgänger beizubehalten. Und das setzt Frauen noch weit hinter allen weniger privilegierten Männer. Um aktuell anzukommen spielt man mit gewisse egalitären Tendenzen, die aber dann doch nicht so weit gehen, den Frauen und Müttern gleichberechtigt und gleichwertig einen Platz in der Gesellschaft einzuräumen. Bei allem humanem und aufklärendem Fortschritt, der nächste Backlash ist nie weit. Und gerade eben trifft wieder eine Welle der Rückschläge in unserer Gegenwart auf – wie Gabriele Uhlmann sagt, haben wir jetzt das Patriarchat 3.0 – und diese Form der Patriarchlität ist das weltweit wirksame und schwer zu beseitigende Hochpatriarchat oder wie ich es bezeichne: das technokratische Neopatriarchat.

Die Frau und das Postpatriarchat
Dieser Tage sind die patriarchalen Strukturen immer noch eine Art Konfektion für den Mann mittleren Alters (bevorzugter Typus: Einsamer Jäger). Ein Maßanzug, der natürlich nicht jedem passt. Da sich derzeit die ethisch/ideologische Kleiderordnung von ausschließlich ‚Mann‘ auch hin zu ‚Mensch‘ erweiterte, dürfen auch Frauen mehr denn je in diese Kostümierung schlüpfen. Unter bestimmten Umständen können sie sich zeitweise auch gut darin bewegen, doch vom Grundansatz her ist es immer noch eine maskuline Uniform.
Wirkliches weibliches Sein und weibliche Werte finden nur schwer Einlass in die patriarchalen Männerbünde (und aus meiner Sicht, haben sie auch dort nichts zu suchen). Der Kampf, manchmal um jeden Preis, der auf die Niederlage der Gegner und den eigenen Sieg zielt, ist auch nicht wirklich ein Frauen- und Mütter-Ding. Obwohl auch da unser Schulsystem so früh wie möglich Mädchen und Jungen in einen ungesunden Wettbewerb zwingt und damit Konsens, Miteinander und jegliche Kooperation vergessen lässt.
Dass Frauen immer noch nicht die Chefetagen stürmen, liegt nicht nur an der sogenannten gläsernen Decke, sondern auch daran, dass Frauen dem System hilflos (…was soll das Ganze?), kritisch (…wozu soll mir das Gerangel nützen?) oder unwillig (…ach lass mal, ich will das nicht!) gegenüberstehen. Sich im Wettbewerb unter Einhaltung der Hierarchieregeln nach oben zu kämpfen ist für so manche Frau einfach keine Option, sondern nur eine verdammte Zeitverschwendung. Denn als Mütter haben wir eigentlich doch was anderes, etwas Besseres, zu tun.
Bleibt also nach wie vor die Frage: können wir das Patriarchat überwinden und uns als Gesellschaft heilen? Werden wir statt der Patriarchose und deren scheinbar postumen Erscheinungen eine (globale) Gesellschaft schaffen, die nahtlos an das naturgemäße Konzept der matrifokalen Urgemeinschaft anknüpft?
Bisher wollen ja die meisten auf keinen Fall zurück in die Steinzeit. Und selbst wenn sich auch gerade an diesem Punkt neue Einsichten bilden, hat trotzdem fast eine Jede Angst die bequeme Moderne zu verlieren. Übersehen wird dabei ständig, dass wir nicht das steinzeitliche Know-how zurückholen wollen, sondern die (menschen)artgerechten, sozialen und damit matrilokalen Bedingungen unter denen unsere Ahninnen lebten. Dass wir den Geist des Kontinuum wieder entstehen lassen, in dem einst die Mensch die Grundlage zum humanen Menschen legte. Wir sind das Ergebnis unseres naturgemäßen und artgerechten (evo-biologischen) Seins. Diese Basis wieder als Alltagssituation zu küren und einzuführen wäre schon allen Kindern zuliebe wünschenswert.
Hier begegnet mir leider immer wieder eine sehr geringe Vorstellungskraft, die gerade unter Frauen in den bangen Fragen gipfelt: „Wie soll das denn gehen?“ oder „Wo bleiben da die Männer?“. Und die Feststellung, dass wir ja ‚vieles nicht wissen können‘, weil niemand von uns in der Vergangenheit dabei war, ist ebenfalls sehr beliebt.
Da die (anerkannten) Wissenschaft, wie die bisherige Archäologie, oder ähnliche Disziplinen manches so darstellt, als hätte es die patriarchösen Strukturen schon immer gegeben, traut frau zu selten ihrer eigenen Vorstellungskraft, die doch eigentlich unsere kollektive Erinnerung ist. Ich bin der Meinung, dass wir menschliche Individuen viel mehr wissen, als nur die von Schulweisheit sparsam servierten Faktenhäppchen, die uns in männlich/ patriarchaler Manier auch noch vor-interpretiert werden. Frauen sollten endlich damit beginnen die Welt zu erklären. Und vergessen wir nicht: Kommunikation ist weiblich! Sprache begann zwischen Mutter und Kind…

Die Mutter und die artgerechte Fürsorgegemeinschaft – die postpatriarchale Alternative!
Als soziales Lebewesen haben wir uns als frühe Menschenform Regeln des Zusammenlebens geschaffen. Der grundlegende Automatismus war und ist die matrifokale Nähegemeinschaft bestehend aus konsanguinen* Angehörigen (in matrilinearer Bindung in matrilokalem Zusammenhalt). Damit ist die optimale Sicherung des Lebenserhaltes des Nachwuchs unserer Spezies als Individuum in einem dynamischen Habitat garantiert.
Vergessen wir die angebliche Bedeutung von Unterrichtsstunden oder Lehrbüchern, sie sind nur ein (kleiner) aufgesetzter Teil der gesamten Lernerfahrung unseres Daseins. Entscheidend war/ist immer die innige, die intensive und wohlwollende Nähe der Fürsorgegemeinschaft, in die einst das Menschenkind hineingeboren wurden … und auch heute noch würde, wäre das matrifokale Selbstverständnis selbstverständlich. Die aus konsanguinen* Angehörigen bestehende Fürsorgegemeinschaft, das Matrifokal, ist der Lebensschlüssel unseres Menschseins seit der Zeit, da sich die Spezies Mensch zu formen begann.

(*konsanguin – durch Geburt verwandt in mütterlicher Linie)

Was ist die Nähe-Gemeinschaft, der unmittelbare Nähekreis? Was können wir uns darunter vorstellen. Die klassische (Klein)Familie ist es nicht und nur bedingt opportun für ein Kind. Denn was ist schon für ein Kreis der lediglich aus zwei (erwachsenen und nicht miteinander verwandten) Personen besteht: einem Mann genannt Vater und der biologischen Mutter? Noch dazu wenn das Kind sie, also beide, oft über mehrere Stunden am Tag kaum zu Gesicht bekommt. Selbst wenn zusätzlich Geschwister da sind, bleibt dem Kind in der Regel die Erfahrung verwehrt, von verschiedenen angehörigen (verlässlichen) erwachsenen Nähepersonen betreut zu werden, die ihnen am Tag immer wieder begegnen bzw. mit ihnen nach Bedarf interagieren.
Der Kern eines jeden Menschenbeginns die Mutter-Kind-Bindung, eine biologisch vorgegebene Einheit und die dazu gehörige matrifokale Fürsorgemeinschaft (was ich hier als Nähekreis bezeichne) – der Umkreis von nahestehenden und vor allem (konsanguin) verwandten Menschen im Alltag, die permanent zu uns gehören und in dem die Einbettung der Mütter und ihre Kinder als Selbstverständnis daher kommt.
Leider ist es heute, besonders in der westlichen Kultur, mit einer beständigen, fürsorgenden Nähegemeinschaft nicht weit her. Die Kleinfamilie (bzw. zunehmend das alleinerziehende Elternteil) ist ein mangelhaftes Surrogat. Diese Art ‚Nähekreis‘, der aus einem maximal zwei erwachsenen Menschen zusammengesetzt ist und nur deshalb dauerhaft funktionieren kann, weil er unterstützt wird durch ein Heer anonymer Dienstleister, die zum Teil als fragwürdige Miterzieher der Kinder fungieren. Konsanguine und weitere Verwandte sind in unserer PatriKultur eine Mangelerscheinung, während jedwede Betreuung durch Außenstehende (Nichtverwandte) zum Standard gehört.
Sollten wir als Gesellschaft die Vernunft aufbringen und (wieder) anfangen von der Mutter her zu denken und damit an das natürliche soziale Gefüge unserer Ahninnen, die Matrifokalität, anzuknüpfen, bliebe auf alle Fälle unseren Kindern die immer dramatischer werdende Vereinzelung für den Rest ihres Lebens erspart.
Die Mütter und ihre Schwestern und Brüder, welche die Patriarchose abbauen bzw. das sogenannte Postpatriarchat aufräumen werden, müssen sich auf eine Menge Arbeit gefasst machen. Eine gründliche Trennung von all den patriarchösen und toxischen, somit schädlichen Konditionierungen und hin zu den naturgemäßen und wirklichen humanen Werte, dürfte für eine Jede(n) eine Lebensaufgabe werden.

Stephanie Ursula Gogolin

dieser Text entstand aus verschiedenen meiner Kommentare und Statements nachbearbeitet: Oktober 2019

8 Gedanken zu “Vom Postpatriarchat zur matrifokalen Gemeinschaft?

  1. Pingback: Die Mutter und die artgerechte Fürsorgegemeinschaft – die postpatriarchale Alternative! | Der Mensch - das faszinierende Wesen

  2. Nina

    Ein sehr schöner Artikel. Ich finde das Postpatriarchat ist ein Lösung zur Unsichtbarmachung, der . wie du es nennst – fortschreitenden Phallokratie (Mutter Erde, was ein wunderbarer Ausdruck! Ich könnte dich dafür knutschen!). Hier versteckt sich schon wieder die Patrix (Letitia Gaba brachte mich darauf!) mit Zuhilfenahme der MA-Trix. Weibliche Begrifflichkeit/der Frau (Natur, Menschheit, Tier gut tuend) soll Patriarchat „verstecken“.

  3. Pingback: Meine Mutter, meine Tochter, mein Ich. – Perlenmutter's Blog

  4. Pingback: Die Notwendigkeit moderner Patriarchatskritik – Matrifokale Gegenwart

Hinterlasse eine Antwort zu wahrscheinkontrolle Antwort abbrechen